Montag, 3. September 2018

Liebe auf den ersten Blick ....

Ich erinnere mich nicht mehr so genau an die exakte Zeit, wann ich sie zum ersten Mal sah. In Augenblicken, wie diesem, ist die Zeit ja auch nicht wirklich wichtig, da sowieso alles rundherum stehen zubleiben scheint. Sie trat in meinen Laden und damit gleichzeitig auch in mein Leben und ihr erster unfassbarer Blick ließ mich ahnen, daß sie die Frau meines Lebens war, der Mensch, mit dem zusammen ich den Rest meines Daseins fristen sein wollte. Unsere Blicke trafen sich, und mein Herz raste, als ich merkte, dass sie das Gleiche für mich zu empfinden schien.


Ein ansonsten recht dürftiger Tag, an dem ich meine frühere Wohnung verloren hatte, und hierher gekommen war, wurde urplötzlich zu etwas Besonderem, als sie geradewegs auf mich zukam. Als dabei ihr Arm mich leicht streifte, lief ein heißer Schauer durch meinen ganzen Körper, und nach einem tiefen. durchdringenden Blick wussten wir beide über die Gefühle des anderen. Keine große Worte waren nötig, als sie auf den Ausgang zuging, nicht ohne mir noch einen letzten unsäglichen Blick zu zuwerfen, bevor sie in die abendliche Dämmerung eintauchte.

Mein Entschluss stand fest. Ich wusste, dass ich in diesem Laden sowieso keine große Zukunft haben würde, und man würde schon schnell einen Ersatz für mich finden! So suchte ich unauffällig den Weg zur Tür und war mit einem kühnen Satz draußen. In einiger Entfernung sah ich sie, und ich beeilte mich, sie einzuholen. Als sie mich bemerkte, blieb sie stehen und wartete auf mich, bis ich sie erreicht hatte, um dann gemeinsam die paar Schritte bis zu ihrer Wohnung zu tun!

Sie öffnete die Wohnungstür, ließ mich eintreten und führte mich geradewegs in den Salon. Sie selbst warf ihren Umhang über eine Stuhllehne, verschwand kurz in die Küche, um dann mit ein paar Leckerbissen zurückzukommen. Bald danach kuschelten wir uns gemeinsam auf der Couch und wisperten uns gegenseitig neckische Dinge zu.

Nach einiger Zeit stand sie auf, sah mich an und fragte gerade heraus: "Na, George, wie ist das mit Dir, ich will in's Bett, und ich nehme doch sehr an, daß Du sicherlich mitkommen willst, oder? Ich schnurrte mir etwas in den Bart, ließ mir das allerdings nicht gern zwei mal sagen, und war mit einem Satz aus meinem Sessel, um ihr geradewegs in's Schlafzimmer zu folgen. Als ich ihr dort in ihrem herrlichen Schlafzimmer beim Ausziehen zusah, dachte ich bei mir: "Für eine Katze hast Du mal wieder unverschämtes Glück gehabt und bist mal wieder auf deinen vier Beinen gelandet. Und jedes Reuegefühl, dem Tierladen entlaufen zu sein, wurde von Minute zu Minute geringer."

© Willy Meurer, (*1934), deutsch-kanadischer Kaufmann, Aphoristiker und Publizist, M.H.R. (Member of the Human Race), Toronto